Ein postkolonialer Text
Ich sitze in Europa
und denke, das ist das Zentrum der Welt.
Du bist nur im Randgebiet,
irgendwo links oder rechts von mir.
Ich betrachte meine weiße Haut im Spiegel
und denke, das ist ein Zeichen von Wert.
Du bist ein bisschen dunkler,
das hat sicher seinen Sinn.
Ich bin ein Mann, ein ganz normaler,
und denke, dass mir deshalb die Welt gehört.
Du bist eine von den vielen Frauen
irgendwie da und irgendwie ja auch notwendig.
Ich schicke meine Schießpulverschiffe in alle Himmelsrichtungen
und denke, ich bin ein glorreicher Eroberer.
Du baust deine Bananen und Kaffeepflanzen an
und wirst dich freuen, von mir erobert zu werden.
Ich zwinge dir meinen Gott auf
und denke, ich führe dich damit ins Heil.
Du fragst dich, was du mit meinem Gott sollst,
aber sagst „Amen“, sonst erdrückt er dich noch.
Ich stolziere über deine Farm
und gebe ihr meinen Namen.
Du bewirtschaftest die Ländereien,
aber meine Ankunft wird Geschichte machen.
Und wenn ich dann zurück bin
im Land der Weißen, der Männer, der Eroberer, der Auserwählten
dann erzähle ich von den lustigen Dingen,
die ich bei dir gesehen habe,
von eurem Kaffee, den ich mitgenommen habe
und eurem Blut, dass ja tatsächlich so aussieht wie meines
Dann gebe ich eine Runde aus
und wir grölen und lachen
und freuen uns,
dass jetzt wieder ein Teil der Erde entdeckt und zivilisiert wurde
und dass eines Tages mir diese Taten zugeschrieben werden
dass ich die Ureinwohner aus ihrem barbarischen Sumpf herausgezogen
und kultiviert hätte
und dass irgendein Schulkind einmal die Augen zusammenkneifen
und versuchen wird, sich an die Jahreszahl zu erinnern,
an der wir angekommen sind an den fernen Küsten
und ihnen unsere Namen gegeben haben,
weil uns die bereits bestehenden nicht interessiert haben
Und es wird noch ein paar Jahrhunderte dauern
bis mir klar wird,
dass dort Menschen lebten
die nicht entdeckt werden mussten,
um zu existieren.